Der Kaiser und die Eglofser Bauern
Es ist wieder soweit: 2019 spielen die Eglofser im Stillen Winkel hinter dem Dorfstadel Theater: „Das Recht der ersten Nacht“ entführt die Zuschauer in die Zeit des Stauferkaisers Friedrichs II. Damals beschritten die Eglofser Bauern einen neuen Weg. Jetzt taten es ihnen die Macher des Stücks gleich. Es entstand erstmals in einer vierköpfigen Schreiberwerkstatt.
Seit dem Sommer 2018 trafen sich Karl Stiefenhofer, Karl Milz, Charly Rauch und Regisseur German Bader aus Hohenweiler jede Woche, um eine Zeit lebendig werden zu lassen, deren Quellenlage im Vergleich zu anderen Epochen der Eglofser Geschichte „am dünnsten“ ist, wie Karl Milz es formuliert. Milz, langjähriges Mitglied des Eglofser Geschichts- und Heimatvereins und im Vorstand des Allgäuer Heimatbundes, übernahm den Part des historischen Beraters, studierte Beschreibungen der Geschichte, Chroniken und Filmmaterial. Viele Abende lang wurde in der Schreiberwerkstatt recherchiert, diskutiert und interpretiert.
Karl Stiefenhofer setzte sich mit dem Leben und Wirken des letzten Stauferkaisers auseinander – stets auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, welches Interesse Friedrich II an den Allgäuer Bauern hatte und was diese wiederum bewog, einen für sie so stattlichen Betrag zum Kaufpreis beizusteuern. Mit der Eglofser Geschichte befasst sich der einstige Vorsitzende des Geschichts- und Heimatvereins und Vorsitzender des Heimatbundes Allgäu seit vielen Jahren. Die meisten der bisher aufgeführten Stücke des Freilichttheaters stammen aus Stiefenhofers Feder. 1243 hatte Friedrich II die Grafschaft Eglofs von Hartmann von Grüningen erworben und damit für deren erste urkundliche Erwähnung gesorgt. Zum Kaufpreis von 3200 Mark Silber mussten die Eglofser Bauern allerdings 1000 Mark Silber selbst aufbringen. „Es hat riesigen Spaß gemacht, sich in die Zeit zu vertiefen und die Geschehnisse in Beziehung zu bringen zu Eglofs“, erzählt Stiefenhofer.
Den Eglofser Part im Stück mit Leben zu füllen, übernahm nun Charly Rauch. Er hat schon manchen Sketch für den traditionellen Eglofser Gerichtstag geschrieben. Für „Das Recht der ersten Nacht“ entwarf er zunächst eine Szene in der Eglofser Talschmitte. Es folgten viele weitere.
Etliche Szenen stammen auch aus der Feder von Regisseur German Bader, der von Beginn an Teil der Schreiberwerkstatt war und zum Co-Autoren wurde. Manches hat Bader noch zusammen mit den Schauspielern erarbeitet. Er stammt aus dem vorarlbergischen Hohenweiler und spielt seit seinem elften Lebensjahr Theater. Von 1985 bis 2007 führte er Regie bei der Theatergemeinschaft Hohenweiler und in jüngerer Zeit bei der Burgbühne Neuravensburg. Die Eglofser sah Bader 2017 in „34 Kreuzer, 34 Stricke“ zum ersten Mal und war „sehr beeindruckt“ – vom Stück und von allen Beteiligten am traditionsreichen Theater. Freilichttheater zu inszenieren sei „eine andere Herausforderung“, sagt der Regisseur. „Man muss sich der Umgebung anpassen. Wo nicht mit allen technischen Raffinessen gearbeitet werden kann, ist Phantasie gefragt.“
So wie beim Schreiben. Wo mehrere Leute beteiligt sind und sich am Schluss alles in Eins fügen muss, ist Abstimmung gefragt und der Zeitaufwand beträchtlich. Herausgekommen sind lebendige Bilder über eine Zeitspanne von rund 50 Jahren: pralles Leben in Italien, im Dorf, Liebe, Lust und Leid, Verstrickungen in die große Politik.
„Wir haben dieses Mal den schwierigsten Weg des Stücke-Schreibens gewählt“, sagt Karl Stiefenhofer. Ein großer Vorteil: Auf diese Weise könne man einen Pool von Talenten schulen und das Fundament legen für die Zukunft des Theaters in Eglofs.
Beim ersten Arbeitstitel für das Stück, „Das Recht der ersten Nacht“ ist es im Lauf der vielen Werkstatt-Sitzungen geblieben. Die Furcht davor ist im mittelalterlichen Eglofs allgegenwärtig. Es symbolisiert die höchste Form der Leibeigenschaft. Die Geschichte der Eglofser Bauern aber war durch all die Jahrhunderte geprägt vom Kampf für ihre Freiheit.